Mit dem Begriff Neotantra wird eine seit Ende der 1970er Jahre in Europa und den USA verbreitete Richtung des Tantra bezeichnet, die meist von kommerziellen Tantraschulen angeboten und verbreitet wird, aber auch im privaten Bereich praktiziert wird.

Entstehung und Gedankengut[Bearbeiten]

Der indische Philosoph Bhagwan Shree Rajneesh propagierte unter dem Begriff Neo-Tantra eine Verbindung von Spiritualität und Sexualität als eine zeitgemäße Form von Tantra. Diese Lehre besagt, dass mittels Meditation die sexuelle Energie des Beckenbereiches geweckt und zu einem „kosmischen Bewusstsein“ transformiert werden könne. Weitere Theorien und Methoden, insbesondere zu Sexualität und Psychotherapie, sind den Lehren Wilhelm Reichs entnommen. Darüber hinaus finden sich meditative Ideen des Yoga und der Körpertherapie.

Bereits seit den späten 1970er Jahren und verstärkt in den 1990er Jahren wurden in Deutschland Tantraschulen gegründet. Die Initiatoren waren zumeist Schüler Oshos (Neo-Sannyas) und machten Neotantra im Esoterikmilieu bekannt, im Westen sind insbesondere Margot Anand und Andreas Rothe (Andro) mit ihren Büchern und Seminaren zu nennen.

Tantraszene[Bearbeiten]

Spätestens seit den 1990er Jahren wird in Deutschland von einer gut vernetzten Tantraszene gesprochen, die sich um die Tantraschulen herum gebildet hat. In diesem Raum gibt es ca. 15 bis 20 Anbieter, die eine Vielzahl unterschiedlicher Workshops durchführen.

Soziale Einordnung[Bearbeiten]

Die Tantraszene steht geschichtlich in der Tradition der Esoterik. Auch ist eine Einordnung in die New-Age-Kultur der neuen sozialen Bewegungen zulässig. Im weiteren Sinn käme eine Nähe zur alternativen Szene, zur Polyamory-Subkultur und entfernt zum ZEGG (Zentrum für Experimentelle Gesellschaftsgestaltung) in Frage: Tantra bleibt jedoch unpolitisch. Obwohl erotische Rituale im Neotantra eine kaum zu überschätzende Rolle spielen (s. u.), ist die Überschneidung mit der Swingerszene gering. Im Vergleich dazu ist die Tantraszene kleiner.

Themen[Bearbeiten]

Die genauen Themen der Seminare sind für Außenstehende nur schwer fassbar. Viele Tantrainstitute formulieren einen therapeutischen Anspruch. Die Seminare versprechen, insbesondere bei partnerschaftlichen und sexuellen Problemen helfen und Traumatisierungen bis hin zu Auswirkungen sexuellen Missbrauches lindern zu können. Vor allem soll jedoch natürlicherem Erleben der Sinnlichkeit sowie Bewusstwerdungsprozessen Raum gegeben werden. Die Lehren des traditionellen Tantra, aber auch die Grundlagen des Neotantra selbst (s. o.), werden in den Seminaren nicht zum theoretischen Lehrthema gemacht, sondern in verschiedenen praktischen Übungen vermittelt.

Angebote und Ablauf der Gruppen[Bearbeiten]

Im Vordergrund der Seminare, die häufig in Kur- oder Wellnesshotels mit entsprechenden Gruppenräumen stattfinden, steht oft das Gruppenerlebnis. Die Veranstaltungen werden sowohl von Paaren als auch von Singles gemeinsam besucht, wobei seitens der Veranstalter meist auf ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis geachtet wird. Es gibt aber auch reine Paar-, Single-, Männer- oder Frauenseminare und Veranstaltungen speziell für Anfänger oder Fortgeschrittene. Das Angebot reicht von Abendgruppen über einzelne Wochenenden über mehrtägige Veranstaltungen, Jahrestrainings, Urlaubsreisen bis hin zu Ausbildungen zum Tantralehrer. Jahrestrainings sind dabei Veranstaltungen, die mehrmals im Jahr jeweils mehrere Tage lang dauern und deren Teilnehmer in der Regel eine abgeschlossene Gruppe bilden. Tantraseminare sind von den Krankenkassen nicht als Therapie anerkannt und müssen daher privat finanziert werden.

Der Ablauf der Seminartage wird hauptsächlich von Meditationen (insbesondere Chakra-Meditationen), Begegnungsübungen, Körperarbeit und Partnerübungen bestimmt. Eine einzelne Übung kann mitunter mehrere Stunden andauern. Oft kulminiert ein Seminar in einem erotischen Partnerritual, das je ein Mann und eine Frau zumeist nackt miteinander ausführen (es gibt aber auch Tantra für Schwule und Lesben). Sexuelle Vereinigung wird – zumindest in Anfängergruppen – nicht angeleitet. Dennoch kann man feststellen, dass die erotische Begegnung der Geschlechter Hauptthema vieler Seminare darstellt.

Anmerkungen und Bewertungen[Bearbeiten]

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Sexuelle Motivationen sind oft ein wichtiger Beweggrund der Teilnehmer. Daneben rangieren Sehnsüchte nach Spiritualität, Gemeinschaftserlebnissen und Geborgenheit. Das Geschehen unterscheidet sich deutlich von dem eines Swingerclubs. Der angeblich leichte Zugang zum anderen Geschlecht und der lockere Umgang mit Nacktheit, Erotik und Sexualität stellt aber einen bedeutenden Anreiz dar – insbesondere für Männer, die noch nie ein Tantra-Seminar besucht haben. In einem Tantra-Seminar geht es vorrangig um Meditation, Bewusstwerdung, innere Verbindung sowohl sexueller als auch spiritueller Energie, Atemübungen, Entwickeln von Mitgefühl, spirituelle Vereinigung. Die sexuelle Vereinigung wird erfahrungsgemäß nur in einem sehr geschützten Rahmen in Fortgeschrittenengruppen angeleitet.

Befürworter der Seminare sagen, dass Tantra den Seminarteilnehmern Anregungen für ein intensiveres Erleben von Meditation, Bewusstheit und Sexualität liefern könne. Außerdem trage Tantra positiv zur Persönlichkeitsentwicklung, Zufriedenheit und Ausgeglichenheit bei. Die entspannte, lockere und gesellige Atmosphäre der Seminare mag darüber hinaus zum Stressabbau dienen.

Kritiker merken allerdings an, dass die therapeutischen Belange oftmals nur ein Vorwand seien, der das Ausleben sexueller Bedürfnisse in den Seminaren verschleiere. Zudem seien die angewandten Methoden und deren Begründung unter Rückgriff beispielsweise auf Osho und Wilhelm Reich Pseudowissenschaft. Problematisch sei insbesondere, dass es sich bei etlichen Angeboten um fragwürdige oder mittlerweile beispielsweise aus Sicht der Traumatherapie veraltete „therapeutische“ Konzepte handle. Jedenfalls sei die therapeutische Wirkung von Neotantra-Seminaren bisher nicht belegt worden. Qualifikation und therapeutische Eignung der Seminarleitung seien daher fragwürdig. Dies sei insbesondere kritisch, da in den Seminaren nicht selten starke Gefühlsschwankungen und psychische Belastungen der Teilnehmer aufträten. Zudem könne es zu einer Abhängigkeit der Seminarteilnehmer von den kostspieligen Seminaren beziehungsweise von den Leitern kommen.

Tantra-Massagen[Bearbeiten]

Eine Besonderheit im Zusammenhang mit Neotantra stellen die sogenannten Tantra-Massagen dar, wie sie seit den 1990er Jahren bezeichnet werden. Einerseits sind sie im Umfeld der Szene entstanden und wurden als Teil von Seminaren der Tantraschulen geübt, andererseits werden sie als kommerzielle Dienstleistung angeboten. Ziel der Massage war ursprünglich eine spirituelle Erfahrung, mittlerweile wird zudem mitunter auch Heilung versprochen. Tantra-Massagen umfassen meist auch die Massage der weiblichen beziehungsweise männlichen Geschlechtsorgane, wofür die Bezeichnungen Yoni-Massage und Lingam-Massage verwendet werden, sowie die Massage des Analbereiches und der Prostata. Es besteht kein direkter Zusammenhang zum traditionellen Tantra. Der Begriffsinhalt ist nicht konkret allgemeingültig geklärt; Anregungen stammen etwa von Joe Kramer[1] und Annie Sprinkle[2] sowie dem Berliner Tantra-Lehrer Andreas Rothe („Andro“).[3]

Literatur[Bearbeiten]

  • Thorsten Laue: Tantra im Westen. Eine religionswissenschaftliche Studie über „Weißes Tantra Yoga“, „Kundalini Yoga“ und „Sikh Dharma“ in Yogi Bhajans „Healthy, Happy, Holy Organization“ (3HO) unter besonderer Berücksichtigung der „3H Organisation Deutschland e. V.“, Münster: LIT, 2012, zugl.: Tübingen, Univ., Diss., 2011, ISBN 978-3643114471
  • Osho: Tantra, Spiritualität & Sex, Edition Innenwelt, Köln 2004, ISBN 978-3-936360-75-2
  • Osho: Die Tantrische Vision. Weisheit, Liebe, Spontaneität und Sex, Edition Innenwelt, Köln 2006, ISBN 978-3-936360-97-4
  • Osho: Vom Sex zum kosmischen Bewußtsein, 1983 (Das Buch erschien bereits 1969 auf Hindi unter dem Titel Sambhog se samadhi ki aor und 1979 auf Englisch unter dem Titel From Sex to Superconsciousness), 2. A. Osho-Verlag, Köln 1995, ISBN 3-925205-76-4

Weblinks[Bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Joseph Kramer: Fire on the Mountain. An Intimate Guide To Male Genital Massage. 1992
  2. Joseph Kramer und Annie Sprinkle: Fire In The Valley. An Intimiate Guide Female Genital Massage. 1999
  3. Andro: Berühre mich … Anregungen für erotische Massagen. Berlin, Verlag Gesundheit 1993, ISBN 3-333-00716-9
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