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Der Flug zum Himmel (Hieronymus Bosch)

Nahtoderfahrungen umfassen einen weiten Bereich individueller Erfahrungen mit überwiegend charakteristischen Erlebnismustern am Rande des Todes.

Vielen Nahtoderfahrungen sind bestimmte Empfindungen wie „Frieden“, Liebe und Glück, und Erlebnismuster wie Blick in einen „Tunnel“, Verlassen des eigenen Körpers, Begegnungen mit Toten oder übernatürlichen Wesen oder eine Rückschau auf das eigene Leben gemeinsam, die als Erlebniswirklichkeiten beschrieben werden. Auch negative Nahtoderfahrungen sind von einzelnen Personen berichtet worden.

Das Phänomen wurde in zahlreichen dedizierten Untersuchungen wissenschaftlich untersucht ohne bisher eindeutige Beweise für oder gegen die Theorie einer Realitätswirklichkeit der gemachten Erfahrungen feststellen zu können. In der klassischen Medizin beschäftigt sich die Neuropsychologie und die Psychologie/Psychiatrie mit diesem Thema. Im Bereich der spirituellen Deutung dieser Phänomene existieren Interpretationen in vielen Religionen und verschiedenen Strömungen der Esoterik.

Weiterhin existieren auch viele Reaktionen in Kunst und Kultur.

Einführung[Bearbeiten]

Es gibt keine einheitliche und umfassende Klassifizierung der Umstände und Elemente von Nahtoderfahrungen. Erschwerend für die Klassifizierung ist die Nähe einiger Nahtoderfahrungen zu Träumen, Oneiroid-Syndromen, Halluzinationen, Illusionen, Wahnvorstellungen und autosuggestiven Elementen.

Nahtoderfahrungen umfassen Wahrnehmungen von bewusstlosen, wie auch von klinisch toten Personen. Im weiteren Sinne auch Visionen von Sterbenden, sogenannte Totenbettvisionen, und Erfahrungen von Menschen, die in lebensgefährliche Situationen geraten sind, diese aber überlebt haben.

Beispiele für Nahtoderfahrungen und verwandte Erfahrungen[Bearbeiten]

Paradies, Mitte 15. Jh., Giovanni di Paolo

Es gibt drei miteinander verwandte Erfahrungstypen, die gelegentlich unter dem Begriff Nahtodeserfahrung zusammengefasst werden. Gemeinsam haben sie, dass sie im Zusammenhang mit Lebensgefahr unterschiedlicher Art auftreten. Sie unterscheiden sich jedoch in der Art der Lebensgefahr und in der Häufigkeit der einzelnen Nahtodeserfahrungselemente.

Nahtoderfahrungen[Bearbeiten]

Nahtoderfahrungen im engeren Sinne sind diejenigen Erfahrungen, die auftreten, während der Körper in einem lebensbedrohlichen Zustand ist und der Betreffende bewusstlos scheint.

Totenbettvisionen[Bearbeiten]

Die Allegorie auf den Tod des Dauphins stellt dar, was ein Sterbender in einer Totenbett-Vision sehen könnte

Totenbettvisionen treten bei Patienten auf, die im Sterben liegen, bevor sie das Bewusstsein verlieren.

Fear-Death-Experiences[Bearbeiten]

Als Fear-Death-Experiences werden Erfahrungen bezeichnet, die in lebensgefährlichen Situationen auftreten, oft ohne dass der Betroffene dabei verletzt wird. Der Name ist irreführend, da die Betroffenen zwar damit rechneten zu sterben, aber oft angeben, keinerlei Angst empfunden zu haben.

Während für die beiden anderen Erfahrungstypen kein biologischer Auslöser eindeutig nachzuweisen ist, wird die Fear-Death-Experience eindeutig durch die Erkenntnis des Betroffenen ausgelöst, dass er in Lebensgefahr schwebt. Dies führt zu einer maximalen Aktivierung des Körpers mit erhöhter Reaktionsgeschwindigkeit, die subjektiv als Zeitlupenphänomen erlebt wird.[1]

Nahtoderfahrungen bei Suizidversuchen[Bearbeiten]

In den Anfängen der Nahtod-Forschung wurde die Ansicht verbreitet, dass Suizidanten überwiegend negative Nahtoderfahrungen hätten. Moody behauptet in „Leben nach dem Tod“, in allen ihm bekannten Fällen von suizidbedingten Nahtoderfahrungen hätten die Betroffenen von höllen-ähnlichen Erfahrungen oder gar einer „Strafe für ihren ‚Verstoß gegen die Regeln‘ “ gesprochen, und dass diese Berichte allesamt im Einklang mit den „uralten theologischen und sittlichen Gründen gegen den Freitod“ stünden (während Moody an anderer Stelle des Buches die Übereinstimmung von Nahtoderfahrungen mit biblischen Vorstellungen von Himmel und Hölle bestreitet).[2] Nahtod-Forscher wie etwa der US-amerikanische Psychologie-Professor Kenneth Ring haben hingegen schon früh nachweisen können, dass zwischen Menschen, die nach einem Suizidversuch gerettet werden konnten, und denen, die aus einem anderen Grund „fast“ gestorben sind, kein statistisch signifikanter Unterschied hinsichtlich der Nahtoderfahrungen besteht.[3]

Nahtodeserfahrungsähnliche Situationen unabhängig von Lebensgefahr[Bearbeiten]

Während die meisten der typischen Nahtodeserfahrungen im Rahmen von lebensgefährlichen Krankheiten auftreten, erleben einige Menschen einzelne Nahtodeserfahrungselemente oder auch typische Nahtodeserfahrungssequenzen außerhalb von lebensgefährlichen Situationen. Sie treten besonders bei Meditationen, Ruhe und Entspannung auf (siehe außerkörperliche Erfahrung), aber auch in Träumen, bei Stress, Übermüdung oder unter Drogeneinwirkung[4][5][6] oder werden absichtlich herbeigeführt (neben Meditation z. B. Hemi-Sync-Methode).

Elemente[Bearbeiten]

Erlebnisinhalte[Bearbeiten]

Sabom verglich die Berichte der Betroffenen von ihren außerkörperlichen Erlebnissen mit dem Operationsbericht und prüfte als ausgebildeter Kardiologe zusätzlich, ob die Beschreibungen der Wiederbelebungen den üblichen Vorgängen bei solchen Wiederbelebungen entsprechen. 26 der 32 Berichte enthielten nur sehr allgemeine Eindrücke und es waren auch bei gezielten Nachfragen keine genauen Einzelheiten zu erfahren. Sechs Berichte beschrieben auch Details der Wiederbelebung. Alle diese sechs traten im Rahmen eines Herz-Kreislaufversagens auf. Sowohl bei den ungenauen als auch bei den detaillierten Berichten stimmten die vorhandenen Beobachtungen mit dem realen Verlauf der Wiederbelebung überein und es wurden nur Dinge beobachtet, die man tatsächlich auch bei einer derartigen Wiederbelebung hätte beobachten können.[1] Jedoch enthält nicht jede außerkörperliche Erfahrung eine zutreffende Beschreibung der Realität.
  • Erkennen des eigenen Todes
  • Ein großer Teil der Betroffenen beschreibt einen Übergang, der am häufigsten als Durchgang durch einen Tunnel beschrieben wird, an dessen Ende helles Licht zu sehen ist.[7][8]
  • Manche Betroffene besuchen das Jenseits; je nach Studie in einem Zehntel bis zwei Drittel der Nahtod-Erlebnisse.[9][10][7]
  • Verwandte oder übernatürliche Gestalten kommen, um den Betroffenen abzuholen: Schon in den von Papst Gregor dem Großen gesammelten Berichten erscheinen Apostel, Verwandte oder Freunde zur Abholung.[11][12] In den von Osis und Haraldson untersuchten Totenbettvisionen aus Indien und Amerika kommen solche Wesen in etwa 78 % der Fälle vor; bei den Amerikanern überwiegend verstorbene Verwandte, in Indien eher religiöse Figuren. Auch Lebende können in Nahtoderfahrungen auftauchen.[4]
  • Lebende tauchen in Nahtoderfahrungen sehr selten auf – und wenn dann in dem Zusammenhang, dass sie den Sterbenden ins Leben zurückziehen wollen. Ein Hauptunterschied zwischen Totenbettvisionen und Halluzinationen von Todkranken ist, dass Betroffene mit halluzinativer Krankengeschichte überwiegend Lebende sehen, während in Totenbettvisionen ohne halluzinative Faktoren vor allem Tote erscheinen.

Darstellung des göttlichen Lichtes

  • Licht: In 40-77 % der Nahtoderfahrungen nimmt die Person ein helles, weisses Licht wahr [13]. Das Licht wird je nach Religionszugehörigkeit als Sonne, Gott, Engel oder als Widerspiegelung des allerhöchsten Bewusstseinszustandes des Menschen identifiziert. [14][15][16][9][7][8]
  • Als Lebensbilderschau, Lebensrückblick oder -film können während des Nahtod-Erlebnisses Ereignisse aus der eigenen Vergangenheit vor dem inneren Auge ablaufen. Diese Phase des Nahtod-Erlebnisses tritt etwa in einem Drittel der Berichte über Nahtoderfahrungen auf.[9][7] In Nahtoderfahrungen von vor Beginn der Neuzeit oder aus Ländern der Dritten Welt wie Indien wird der Lebensfilm meist durch eine Bewährungsprobe, eine Gerichtsszenerie oder ein Lebensbuch ersetzt.[17][18][10][4]

Eine Mauer um den Himmel

  • In 8-29 % der Nahtoderfahrungen taucht im Jenseits eine Grenze, Mauer oder ähnliches auf, die der Betroffene nicht überschreiten darf, wenn er nicht endgültig sterben soll.[15][9][13][2]
  • Rückkehr: In einigen Nahtoderfahrungen erscheinen die Wiederbelebungsmaßnahmen als Grund der Rückkehr. Es kann aber auch eine bewusste Entscheidung zur Rückkehr erlebt werden. In 72 % der von Fenwick untersuchten amerikanischen Nahtoderfahrungen wurde eine definitive Rückkehrentscheidung getroffen. Etwa die Hälfte der Betroffenen traf die Entscheidung selbst. Rückkehrentscheidungen sind bei Kindern seltener (52 %) und bei Jugendlichen (70 %) und Erwachsenen (75 %) zunehmend häufiger. Wobei Kinder und Erwachsene die Entscheidungen in der Hälfte der Fälle selber trafen, während das bei Jugendlichen nur in einem Drittel der Fälle vorkam.[4]
  • Bestätigung des Erlebten: Die Betroffenen haben oft den Eindruck, dass sich Beobachtungen, die sie im Rahmen von Nahtoderfahrungen gemacht haben, bestätigten, vor allem die außerkörperlichen Erlebnisse.[1][7][2][17][10][19][20]

Emotionen[Bearbeiten]

  • Glücksgefühl: Für viele Menschen sind starke Gefühle von Schmerzfreiheit, Frieden, Freude und Glücksseligkeit der bemerkenswerteste Teil ihrer Erfahrung.[4][7][2][1]
  • Präkognition und Allwissenheitsempfinden: In etwa 3−6 % der Nahtodeserlebnisse glauben die Betroffenen, in die Zukunft zu sehen.[9][18][13][7] (Ring untersuchte einige Vorhersagen über den Ausbruch von Vulkanen, Erdbeben, Naturkatastrophen sowie Hungersnöte und Nuklearkriege. Keine der Prophezeiungen, die sich auf hinreichend konkrete Begebenheiten bezogen hatte, erfüllte sich.[8])

Mystische Erfahrung und Folgen[Bearbeiten]

Nah-Todeserfahrungen weisen die religions- und kulturunabhängigen Eigenschaften mystischer Erfahrungen auf: Einheits-Erleben, Transzendenz von Zeit und Raum, tief empfundene positive Stimmung, Gefühl der Heiligkeit, der Objektivität und Realität, Unaussprechlichkeit, Paradoxie und Flüchtigkeit des Erlebens sowie anhaltende positive Veränderung in Einstellung und Verhalten. Damit sind Nahtodeserlebnisse die häufigsten mystischen Erfahrungen überhaupt.[17][10]

Menschen, die ein Nahtodeserlebnis hatten, glauben oft dauerhaft stärker an ein Leben nach dem Tod. Je länger die lebensgefährliche Situation her ist, desto größer ist diesbezüglich der Unterschied zwischen denen, die eine Nahtodeserfahrung hatten und denen, die keine hatten.[15][21][18][22] Pathologische Trauerreaktionen auf den Tod von Angehörigen nehmen deutlich ab, da man von deren Weiterexistenz überzeugt ist.[23] Viele Menschen sind nach einem Sterbeerlebnis auch von der Existenz Gottes überzeugt und geben religiösen und ethischen Werten in ihrem Leben Vorrang.[9][18][10][24][22][25] Eine Hinwendung zu sozial-karitativen Tätigkeiten, eine höhere Wertschätzung von Sinnfragen, aber auch der eigenen Person und der Kürze und Kostbarkeit der Lebenszeit werden beschrieben.

Der britische Philosoph Alfred Jules Ayer, der 1988, kurz vor seinem Tod, selbst Nahtoderfahrungen hatte, schloss daraus, dass das Bewusstsein zwar nicht mit dem Tod endet, das aber nur gilt, falls der Begriff „Tod“ durch den Herzstillstand definiert wird.[26]

Erklärungsansätze[Bearbeiten]

In der Beschreibung und Erforschung von Nahtoderfahrungen gibt es verschiedene Ansätze, die sich in ihren erkenntnistheoretischen und weltanschaulichen Grundannahmen unterscheiden. Zum einen gibt es die historisch verbreitete ontologische und oft religiös motivierte „Überlebenshypothese“, die Nahtoderfahrungen als Beleg für ein Weiterleben der Seele nach dem Tod sieht. In der aktuellen Forschung spielt sie aber kaum noch eine Rolle. Davon grenzt sich eine skeptische Position ab, die vor allem neurophysiologische Erklärungen verfolgt, sowie psychologische und psychoanalytische Hypothesen, wie die Depersonalisiation, vertritt. Sogenannte parawissenschaftliche Erklärungen betrachten Nahtoderfahrungen als ein Ausdruck der Unabhängigkeit des Bewusstseins vom Gehirn und Körper und sie könnten als Zugang zu höheren Bewusstseinsebenen genutzt werden. Eine weitere Position nehmen agnostische Ansätze ein, die sich an den subjektiven Erfahrungen orientieren und diese in einen soziokulturellen Zusammenhang stellen.[27][28]

Halluzinationen[Bearbeiten]

Aus der Psychopathologie sind autoskopische Halluzinationen bekannt, bei denen jemand ein Bild von sich selbst außerhalb seines eigenen Körpers sieht, ähnlich der außerkörperlichen Erlebnisse.[10][29][30][31][8] Heinrich Klüver hat in den 1930er Jahren aus optischen Halluzinationen abstrakte Grundformen isoliert, deren Entstehung er dem Auge und dem Zentralnervensystem zuschrieb. Eines dieser Grundmuster ist ein Tunnel.[8][32] Patienten im Delirium leiden häufig unter alptraumartigen Halluzinationen, in denen Tiere, oft auch Insekten, vorkommen. Das Denken verläuft sprunghaft, ungeordnet und ohne Ziel. Die Patienten schauen ihren Sinnestäuschungen scheinbar unbeteiligt zu, als ob sie sich in einiger Entfernung auf einer Filmleinwand abspielten.[17][7]

Träume[Bearbeiten]

Die Nahtodeserfahrung wurde mit Traumtypen verglichen, insbesondere mit Klarträumen, Oneiroiden und dem G-LOC-Dreamlet (Bewußtseinsverlust von Jetpiloten durch hohe Fliehkräfte).[21] Klarträume haben mit den Nahtodeserfahrungen gemeinsam, dass die Erfahrenden sich bewusst sind, dass ihr Erleben sich vom wachen Alltag unterscheidet. Oneiroide sind Träume, bei denen der Erlebende sich als wach empfindet. Sie treten bei langdauernder Bewusstlosigkeit auf. In einer repräsentativen Befragung von 2000 Deutschen, die von Schröter-Kunhardt durchgeführt wurde, enthielten 27 % der Nahtoderfahrungen auch oneiroidale Traumsequenzen. Umgekehrt gibt es auch viele Oneiroide, die einzelne Nahtodeserfahrungselemente enthalten.[9][17][21][10][13][8][33]

Depersonalisation[Bearbeiten]

Bei der Depersonalisation handelt es sich um eine krankhafte Selbstwahrnehmung, bei der die betroffene Person den Eindruck hat, dem eigenen Bewusstsein fremd gegenüberzustehen und ohne eigene Anteilnahme zu agieren. Mit der Nahtodeserfahrung hat die Depersonalisation gefühlsmäßige Distanzierung von der materiellen Realität und eine Entfremdung vom eigenen Körper und der Umwelt gemeinsam. In 19–26 % der Fälle treten auch im Rahmen der Depersonalisation außerkörperliche Erlebnisse auf. Wie das außerkörperliche Erlebnis ereignen sich auch Depersonalisationen häufig bei sonst gesunden Menschen, bei cerebraler Aktivierung und in lebensbedrohlichen Situationen. Depersonalisationsphänomene werden allerdings im Gegensatz zu Nahtodeserlebnissen bei Kindern und Menschen über 45 Jahren nicht beobachtet, und sie chronifizieren oft.[18] Es überwiegen negative Gefühle wie Empfindungslosigkeit, Angst, Panik, Fremdheits- und Krankheitsgefühl. Selbst- und Realitätsgefühl sind beim Nahtodeserlebnis oft deutlich gesteigert.[17][10][24][8]

Dissoziation[Bearbeiten]

Da in einer Nahtodeserfahrung die Persönlichkeit als vom Körper, seinen Schmerzen und den damit verbundenen Ängsten abgelöst erlebt wird, handelt es sich hierbei definitionsgemäß um eine dissoziative Erfahrung.

Russel Noyes hat über 200 Berichte von Personen, die eine tödliche Gefahr überlebt hatten, gesammelt und sich dabei auf Unfallopfer konzentriert. Es handelte sich also weitgehend um Fear-Death-Experiences. Seiner Ansicht nach löst eine plötzliche Gefahr einen Alarm des Zentralnervensystems aus, „der einen situationsangepassten neuralen Mechanismus freisetzt, der erhöhte Wahrnehmung mit einer Dissoziation des Bewusstseins von dieser Wahrnehmung verbindet“. Dabei beruft sich Noyes auf die Neurologen Harper und Roth, die jene Kombination von Wahrnehmung und Hemmung auch bei bestimmten epileptischen und „phobischen Angst-Depersonalisations“-Syndromen vermuten.[8]

Erhöhte Kohlendioxidkonzentration im Blut bei Nahtoderfahrungen[Bearbeiten]

Die Forscher Zalika Klemenc-Ketis, Janko Kersnik und Stefek Grmec berichteten im April 2010 von Untersuchungen, in denen bei Patienten mit Herzstillstand und einer Nahtoderfahrung eine signifikant höhere Kohlendioxidkonzentration und ein erhöhter Kaliumspiegel im Blut gefunden wurden. Als Vergleich dienten Patienten mit Herzstillstand ohne Nahtoderfahrung, bei denen diese signifikanten Erhöhungen fehlten. Einschränkend betonen aber die Forscher, dass Kohlendioxid nicht den Detailreichtum und die Klarheit einer Nahtoderfahrung erklären kann und das unterscheide Nahtoderfahrungen von einem künstlich ausgelösten Kohlendioxid-Rauschzustand.[34]

Sauerstoffmangel[Bearbeiten]

Einige Autoren nehmen an, dass Nahtodeserlebnisse auf Sauerstoffabwesenheit im Gehirn (zerebrale Anoxie), Sauerstoffmangel (Hypoxie) oder einen Überschuss an Kohlendioxid (Hyperkapnie) zurückzuführen seien.[10][35][36] Es wurde vorgeschlagen, dass der Sauerstoffmangel bewirken könnte, dass die Hemmung der Sehrinde durch den Schläfenlappen, die, wenn das Gehirn normal funktioniert, immer vorhanden ist, wegfällt oder abgeschwächt wird. Da die Sehrinde so organisiert ist, dass viele Zellen dem Zentrum des Gesichtsfeldes zugeordnet sind und wenige dem Rand, könnten zufällige Erregungen des Schläfenlappens zu dem Eindruck führen, dass es in der Mitte des Gesichtsfeldes hell und am Rande dunkel sei, was wie ein Tunnel wirken könne.[37][17]

Ein Phänomen, bei dem die Sauerstoffversorgung des Gehirns vermindert ist, ist der Gravity Loss of Consciousness (Bewusstseinsverlust durch Schwerkraft) von Kampfpiloten. James Whinnery hat über einen Zeitraum von 16 Jahren eine Studie mit über 1000 G-LOCs durchgeführt. Bei einem Durchschnittsalter von 32 Jahren dauerte der G-LOC etwa 12 Sekunden, wobei es bei 70 % der Personen zu Schüttelkrämpfen kam. Rund 50 % der Betroffenen erkennen ihren G-LOC nicht auf Anhieb und sind bei einer Videovorführung entsprechend erschüttert. Entsprechend dem Grad dieser Bewusstheit spricht Whinnery von vier G-LOC-Typen, die dabei den Grad der Blutleere widerspiegeln sollen. Nur beim intensivsten Typ würde ein Dreamlet berichtet. Bei hoher Schwerkraft werden zuerst die am weitesten von der versorgenden Ader entfernten Ränder der Netzhaut nicht ausreichend versorgt. Das Bild verliert vom Rand her seine Farbe und wird dann vom Rand zur Mitte hin nach und nach dunkler. Es entsteht eine Tunnelvision, manchmal auch ein völliger Visionsverlust, die auf die mangelnde Durchblutung der Retina zurückzuführen sind.[24][8][38]

Drogen und körpereigene Botenstoffe[Bearbeiten]

Halluzinogene wie LSD, Meskalin, Ketamin und Haschisch rufen vereinzelt alle Nahtodeserlebnis-Elemente bis hin zu vollständigen Nahtodeserlebnis-Sequenzen hervor. Deshalb gehen einige Autoren davon aus, dass die entsprechenden körpereigenen Botenstoffe und die zuständigen Rezeptoren im Gehirn für die Nahtodeserfahrungen verantwortlich seien und die Nahtodeserfahrungen komplexe halluzinatorische Erfahrungen seien.[15][16][39][17][10][23][24][8][40]

Schläfenlappenaktivität und Epilepsie[Bearbeiten]

Das Nahtodeserlebnis benötigt höhere Hirnfunktionen.[24] Morse und Kollegen haben ein Modell vorgeschlagen, das auf dem Neurotransmitter Serotonin basiert und die Schritte bis zur Auslösung von Nahtoderfahrungen erklären soll. Dabei wird dem Schläfenlappen (auch Temporallappen genannt), eine zentrale Bedeutung beigemessen. Dieses Großhirnareal beherbergt mit Amygdala und Hippocampus zwei wichtige Bestandteile des limbischen Systems, bei denen vieles darauf hindeutet, dass sie an der Nahtodeserfahrung beteiligt seien könnten. Durch Reizungen der rechten Schläfenregion der Gehirnrinde im Bereich (zumeist unterhalb) des Sulcus lateralis (Gyrus temporalis superior et medius) lassen sich außerkörperliche Erlebnisse hervorrufen und das Gefühl, der Körper würde sich verformen, kann auftreten.[37][17][18][10][8][36]

Auch bei epileptischen Anfällen, besonders bei möglichen Temporallappenepilepsien (PTLE), wurden außerkörperliche Erlebnisse beobachtet.[23]

Nahtoderfahrungen in Kunst und Kultur[Bearbeiten]

Das Thema Nahtod wurde vielfach in Filmen bearbeitet, in jüngerer Zeit etwa Hereafter von Clint Eastwood (2010) und Stay von Marc Forster (2008). Darüber hinaus ist es auch ein Motiv besonders der phantastischen Literatur, wofür beispielhaft die Novelle Der Baron Bagge von Alexander Lernet-Holenia (1936) genannt werden kann.[41] Eindrucksvoll ist auch die literarische Bearbeitung des Sujets bei Karl May in seinen Romanen Am Jenseits (1899) und Im Reiche des silbernen Löwen III (1902)[42].

Filmische Dokumentationen[Bearbeiten]

  • Rainer Fromm und Simone Kienast: An der Schwelle zum Jenseits – Nahtoderlebnisse aus der Sicht von Wissenschaftlern und Betroffenen. (DVD) 60 Min., Mathhias-Film gGmbH 2009, ASIN B0036P52MW.

Weblinks[Bearbeiten]

 Commons: Nahtoderfahrung – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
 Wiktionary: Nahtoderfahrung – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Literatur und Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. a b c d e Michael B. Sabom (übersetzt durch Helmut Willmann): Erinnerung an den Tod. Eine medizinische Untersuchung., 1986, Goldmann, ISBN 3-442-11741-0.
  2. a b c d Raymond A. Moody (übersetzt durch Hermann Gieselbusch): Leben nach dem Tod. 1982 Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. ISBN 3-498-04252-1.
  3. Kenneth Ring, Sharon Cooper: Mindsight. Near Death and Out-of-Body experiences in the Blind. New York, Bloomington, Shanghai: iUniverse, 2008, ISBN 978-0-595-43497-8.
  4. a b c d e f Peter Fenwick, Elizabeth Fenwick: The Truth in the Light., 1995, London: Headline Book Publishing ISBN 0-7472-1186-8.
  5. Stuart W. Twemlow, Glen O. Gabbard und Fowler C. Jones: The Out-of-Body Experience: A Phenomenological Typology Based on Questionnaire Responses. The American Journal of Psychiatry 1982; 139:450-455
  6. Stanislav Grof, Joan Halifax (übersetzt durch G. H. Müller und Thomas Shadow): Die Begegnung mit dem Tod. 1980 Stuttgart: Klett-Cotta ISBN 3-12-903090-5.
  7. a b c d e f g h i Raymond A. Moody (übersetzt durch Lieselotte Mietzner): Das Licht von Drüben, Neue Fragen und Antworten. 1989 Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. ISBN 3-498-04315-3.
  8. a b c d e f g h i j k Stefan Högl: Transzendenzerfahrungen. Nahtod-Erlebnisse im Spiegel von Wissenschaft und Religion. Tectum-Verlag, Marburg 2006, ISBN 978-3-8288-9173-9.
  9. a b c d e f g Nah-Todeserfahrung – Grundlage neuer Sinnfindung. In: Hermes A. Kick (Hrsg.): Ethisches Handeln in den Grenzbereichen von Medizin und Psychologie. LIT VERLAG, Münster, 2002
  10. a b c d e f g h i j k Nah-Todeserfahrungen: Psychologisch-biologische Grundlage für den Glauben an ein Leben nach dem Tod. In: Petersen, P: Majestät des Todes – Bewegung des Lebens. 3.Symposion für künstlerische Therapien. Kongressband, Hannover 1997, S. 93-117
  11. Karlis Osis und Erlendur Haraldson (übersetzt durch Wolfgang Harlacher): Der Tod, ein neuer Anfang. Visionen und Erfahrungen an der Schwelle des Seins. Freiburg im Breisgau 1989: Verlag Hermann Bauer ISBN 3-7626-0633-1.
  12. Gregor der Grosse († 604): Vier Bücher Dialoge (Dialogi de vita et miraculis patrum Italicorum).
  13. a b c d Michael Schröter-Kunhardt: Oneiroidales Erleben Bewusstloser. IN: Kammerer Thomas: Traumland Intensivstation: Veränderte Bewusstseinszustände und Koma: Interdisziplinäre Expeditionen. Books on Demand GmbH 2006
  14. Hubert Knoblauch & Ina Schmied: Berichte aus dem Jenseits. Eine qualitative Studie zu Todesnäheerfahrungen im deutschsprachigen Raum.
  15. a b c d van Lommel P, van Wees R, Meyers V, Elfferich I.: Near-death experience in survivors of cardiac arrest: a prospective study in the Netherlands. Lancet. 2001 Dec 15;358(9298):2039-45. Erratum in: Lancet 2002 Apr 6;359(9313):1254. PMID 11755611
  16. a b Appleby L.: Near death experience. BMJ. 1989 Apr 15;298(6679):976-7. Review. PMID 249938
  17. a b c d e f g h i Nah-Todeserfahrungen aus psychiatrisch-neurologischer Sicht. aus: Soeffner H-G, Knoblauch H (Hrsg.), Todesnähe: Interdisziplinäre Zugänge zu einem außergewöhnlichen Phänomen. Universitätsverlag Konstanz, Konstanz 1999, S. 65-99
  18. a b c d e f M.Schröter-Kunhardt: Das Jenseits in uns. PSYCHOLOGIE HEUTE 6/1993, S. 64-69
  19. http://sedna.no.sapo.pt/death_scresearch/pdf_docs/12.3_cook_greyson_stevenson.pdf Emily Williams Cook, Bruce Greyson & Ian Stevenson: Do Any Near-Death Experiences Provide Evidence for the Survival of Human Personality after Death? Relevant Features and Illustrative Case Reports. Journal of Scientific Exploration, Vol. 12, No. 3, pp. 377-406, 1998
  20. Emily Williams Kelly (geborene Cook), Bruce Greyson & Ian Stevenson: Beweisen Todesnäheerfahrungen das Überleben der menschlichen Persönlichkeit nach dem Tod?, 1998, PDF
  21. a b c Dr. phil. Joachim Nicolay: Nahtoderfahrungen in Beratung und Therapie. Report Psychologie 1/2005, S. 14-20
  22. a b Yamamura H.: Implication of near-death experience for the elderly in terminal care. Nippon Ronen Igakkai Zasshi. 1998 Feb;35(2):103-15. Japanese. PMID 9584488
  23. a b c M. Schröter-Kunhardt: Erfahrungen Sterbender während des klinischen Todes. PRAXIS KLINIK FORSCHUNG. TW Neurologie Psychiatrie 9, S. 132-140, 1995
  24. a b c d e Bruce Greyson: Near-Death Experiences in a Psychiatric Outpatient Clinic Population. Psychiatr Serv 54:1649-1651, December 2003.
  25. Ethier AM.: Death-related sensory experiences. J Pediatr Oncol Nurs. 2005 Mar-Apr;22(2):104-11. Review. PMID 15695352
  26. [1] (PDF; 63 kB), What I Saw When I Was Dead
  27. Hubert Knoblauch, Ina Schmied & Bernt Schnettler, „Einleitung: Die wissenschaftliche Erforschung der Todesnäheerfahrung“, 1999, S. 9ff. Und IV
  28. Dieter Vaitl, „Veränderte Bewusstseinszustände: Grundlagen – Technik – Phänomenologie“, 2012, S. 154
  29. Bruce Greyson, M. D.: Near-death experiences: clinical implications. Revista de Psiquiatria Clínica 34, supl 1; S. 49-57, 2007
  30. TR Dening and GE Berrios: Autoscopic phenomena. The British Journal of Psychiatry 165: 808-817 (1994)
  31. Greyson B.: The near-death experience as a focus of clinical attention. J Nerv Ment Dis. 1997 May;185(5):327-34. PMID 9171810
  32. Klaus Podoll: Visual hallucinations. http://www.migraine-aura.org/ Version vom: 13. Mai 2007
  33. M. Schmidt-Degenhard: Die oneiroide Erlebnisform – Ein Bewältigungsversuch von Extremsituationen. Minisymposium „Zustände von Bewusstsein“. SONDERBEITRÄGE / SPECIAL ARTICLES (PDF-Datei; 62 kB)
  34.  Zalika Klemenc-Ketis, Janko Kersnik and Stefek Grmec: The effect of carbon dioxide on near-death experiences in out-of-hospital cardiac arrest survivors: a prospective observational study. In: Critical Care. 14, 2010, S. R56 doi:10.1186/cc8952 (http://ccforum.com/content/pdf/cc8952.pdf, abgerufen am 9. April 2010).
  35. Hubert Knoblauch, Ina Schmied & Bernt Schnettler: Einleitung: Die wissenschaftliche Erforschung der Todesnäheerfahrung, 1999. [2]
  36. a b Susan Blackmore: Neurophysiologische Erklärungen der Nah-Todeserfahrung
  37. a b Blackmore SJ.: Near-death experiences. J R Soc Med. 1996 Feb;89(2):73-6. Review. PMID 8683504
  38. James E. Whinnery: Induction of Consciousness in the Ischemic Brain. In: von Stuart R. Hameroff, Alwyn C. Scott, Alfred W. Kaszniak: Toward a Science of Consciousness II: The Second Tucson Discussions and Debates: The First Tucson Discussions and Debates (Complex Adaptive Systems). Bradford Books (26. März 1996). ISBN 0-262-08249-7
  39. Jansen K.: Near death experience and the NMDA receptor. BMJ. 1989 Jun 24;298(6689):1708. PMID 2547469.
  40. Karl Jansen: Neuroscience, Ketamine an the Near-Death Experience. In: Lee Worth Bailey (Herausgeber), Jenny Yates (Künstler): The Near-Death Experience: A Reader. Routledge Chapman & Hall (18. Juli 1996). ISBN 978-0-415-91431-4.
  41. vgl. Dietmar Czycholl (Hg.): Als ich am gestrigen Tag entschlief. Erfahrungen Wiederbelebter in der Weltliteratur. Eine Anthologie aus drei Jahrtausenden. Genius Verlag, Oberstaufen 2003 ISBN 3-934719-13-9
  42. Karl May: Am Jenseits, Freiburg i.Br. 1912, S. 504 ff. (online auf zeno.org); Im Reiche des silbernen Löwen, Band 3, Freiburg i.Br. 1908, S. 270 ff. (online auf zeno.org)



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